Amnesty Report 27. Mai 2013

Mauretanien 2013

 

Amtliche Bezeichnung:
 Islamische Republik Mauretanien Staatsoberhaupt:
 General Mohamed Ould Abdel Aziz Regierungschef: Moulaye Ould Mohamed Laghdaf

Die Behörden schränkten die Rechte auf freie Meinungsäußerung, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit drastisch ein. Während des gesamten Jahres 2012 wurde bei Demonstrationen der Rücktritt von Präsident Mohamed Ould Abdel Aziz gefordert. Die Behörden bedrohten nach wie vor Anti-Sklaverei-Aktivisten. Der ehemalige Chef des libyschen Geheimdienstes Abdullah al-Senussi wurde festgenommen und an
Libyen ausgeliefert. Dort droht ihm die Todesstrafe. Mindestens sechs Menschen wurden 2012 zum Tode verurteilt.

Hintergrund

Im Oktober 2012 wurde Präsident Aziz von Soldaten einer Armeeeinheit angeschossen. Die Behörden bezeichneten die Tat als Versehen. Der Präsident wurde zur medizinischen Behandlung nach Frankreich gebracht, währenddessen begannen Gerüchte über einen Staatsstreich zu zirkulieren. Im November wurde bei Demonstrationen das durch die Abwesenheit des Präsidenten herrschende politische und rechtliche Vakuum kritisiert.

Im Oktober ratifizierte Mauretanien das Internationale Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen und das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe.

Verschwindenlassen

Die Behörden gaben weiterhin den Verbleib von 14 Gefangenen nicht bekannt, die wegen terroristischer Aktivitäten verurteilt und im Mai 2011 aus dem Zentralgefängnis in Nouakchott geholt und an einen unbekannten Ort verbracht worden waren. Unter ihnen befanden sich Mohamed Ould Charbarnou, Sidi Ould Sidina, Maarouf Ould Heiba, Khadim Ould Semane, Mohamed Ould Abdou, Abderrahmane Ould Areda und Mohamed Ould Chbih. Die Behörden hielten nach wie vor daran fest, dass ihre Verlegung an einen geheimen Ort eine vorübergehende Sicherheitsmaßnahme sei.

Recht auf freie Meinungsäußerung

Mindestens 36 Menschen kamen nach friedlichen Demonstrationen in Haft.

  • Im Februar 2012 wurden friedliche Demonstrationen der Studierenden der Universität von Nouakchott mit Gewalt niedergeschlagen. Über 30 Studierende wurden festgenommen. Einige kamen nach wenigen Tagen wieder frei, während man andere über eine Woche ohne Anklage oder Gerichtsverfahren festhielt.

Politische Gefangene

  • Im April 2012 wurden elf Mitglieder der Anti-Sklaverei-Organisation Initiative pour la Résurgence du Mouvement Abolitionniste en Mauritanie (IRA-Mauritanie) festgenommen, darunter Biram Ould Dah Ould Abeid, Yacoub Diarra, Ahmed Hamdy Ould Hamat Fall, Abidine Ould Salem, El Id Ould Lemlih, Oubeid Ould Imijine und Boumediene Ould Bata. Die Männer hatten gegen Schriften islamischer Gelehrter protestiert, die IRA-Mauritanie als Rechtfertigung der Sklaverei verstand. Man stellte sie wegen Bedrohung der Staatssicherheit, Angriffen auf den Anstand und Verwaltung einer nicht genehmigten Organisation unter Anklage. Der Vorsitzende von IRA-Mauritanie wurde zudem der Apostasie angeklagt. Alle elf Angeklagten kamen im September nach vier Monaten Haft vorläufig frei. Das Gerichtsverfahren hatte Ende 2012 noch nicht stattgefunden.

  • Im Dezember kam der ehemalige Menschenrechtskommissar Lemine Ould Dadde vorläufig frei.

Antiterror- und Sicherheitsmaßnahmen

Im Jahr 2012 wurden mindestens 17 Männer wegen terroristischer Vergehen zu Gefängnisstrafen oder zum Tode verurteilt. Einige der Verfahren entsprachen nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren.

  • Mindestens drei wegen terroristischer Vergehen verurteilte Gefangene, unter ihnen Assad Abdel Khader Mohamed Ali, blieben in Haft, obwohl sie ihre Freiheitsstrafen verbüßt hatten. Sie wurden schließlich mit einer Verzögerung von vier, zehn bzw. zwölf Monaten aus der Haft entlassen.

Folter und andere Misshandlungen

Aus den Hafteinrichtungen des Landes, darunter den Polizeiwachen Ksar und Tevragh-Zeina und dem Frauengefängnis von Nouakchott, wurden immer wieder Folterungen und andere Misshandlungen gemeldet.

  • Einem Studenten, der nach einer Demonstration im Februar 2012 auf der Polizeiwache Ksar inhaftiert war, wurden Hände und Füße mit einem Seil zusammengebunden. Während der Verhöre wurde er geschlagen, und man trat auf ihn ein.

  • Zwei Frauen, die im Frauengefängnis in Haft saßen, gaben an, bei ihrer Festnahme 2010 und in Polizeigewahrsam brutal geschlagen worden zu sein.

Zu den Folter- und Misshandlungsvorwürfen in Polizeigewahrsam und während der Verhöre wurden keine Untersuchungen eingeleitet.

Auslieferung

Im März 2012 wurde der ehemalige Chef des libyschen Geheimdienstes Abdullah al-Senussi festgenommen, als er aus Marokko ins Land einreiste. Im Juli ließen die Behörden verlauten, er sei illegal ins Land gekommen und sie zögen verschiedene Optionen für seine Auslieferung in Betracht, darunter auch den Antrag des Internationalen Strafgerichtshofs (International Criminal Court – ICC). Der ICC hatte einen Haftbefehl wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Libyen ausgestellt. Die Behörden lieferten Abdullah al-Senussi schließlich im September an Libyen aus, wo ihm die Todesstrafe drohen könnte.

Todesstrafe

  • Im April 2012 wurden mindestens drei Menschen – Mohamed Saleck Ould Cheikh, Youssouf Galissa und Mohamed Lemine Ould Mballé – zum Tode verurteilt. Man hatte ihnen zur Last gelegt, eine terroristische Straftat geplant zu haben und Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu sein.

  • Das 2011 ergangene Todesurteil gegen Mohamed Abdellahi Ould Ahmednah Ould Mohamed Salem wurde im April in einem Rechtsmittelverfahren vor dem Strafgericht in Nouakchott bestätigt. Er war beschuldigt worden, Mitglied von Al-Qaida im islamischen Maghreb zu sein und die Verantwortung für den Tod eines US-Staatsangehörigen zu tragen.

Sklaverei

  • Am 11. Januar 2012 wurden vier Aktivisten von IRA-Mauritanie festgenommen und für vier Tage inhaftiert, nachdem sie sich über einen Fall von Sklaverei in Ayoun, einer Stadt im Süden Mauretaniens, beschwert hatten. Sie wurden beschuldigt, Widerstand gegen die Staatsgewalt geleistet und einen Aufstand provoziert zu haben.

Rechte von Migranten

Migranten, von denen die meisten aus den Ländern der Subsahara wie Mali, Guinea und Senegal stammten, wurden auch 2012 willkürlich festgenommen und unter dem Verdacht inhaftiert, nach Europa einreisen zu wollen. Mindestens 4000 Migranten wurden festgenommen und entweder nach Mali oder in den Senegal zurückgeschickt.

  • Im April nahmen Sicherheitskräfte zwischen 400 und 800 meist aus Westafrika stammende Migranten in Nouadhibou fest. Sie wurden tagelang in Einwanderungshafteinrichtungen in Nouadhibou und Nouakchott festgehalten, dann schickte man die meisten nach Mali oder in den Senegal zurück. Sie hatten keine Möglichkeit, die Rechtmäßigkeit ihrer Inhaftierung oder ihre Sammelabschiebung anzufechten.

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